Venenpunktionsnadel


Dr.med. Arthur und Maria Lanc - 1986


Dr.med. Arthur Laue war 1944 Amtsarzt in Gmünd, Niederösterreich. Er und seine Frau Maria wohnten in der Kirchengasse 35. Im Frühsommer 1944 traf ein Transport mit 1700 ungarischen Juden in Gmünd ein. Sie kamen aus Budapest, zu Fuß, in mangelhafter Bekleidung und ausgehungert. In einem Getreidespeicher hinter dem Finanzamt in der Lagerstraße wurden sie zusammengepfercht untergebracht.

Eines Tages erschien in der Ordination von Dr. Laue ein älterer Mann mit einem Davidstern. Er stellte sich als Dr. Lipot Fisch, Lagerarzt im Getreidespeicher, vor und berichtete Dr. Laue über die grauenvollen sanitären Bedingungen der Lagerinsassen, von denen bereits Hunderte durch Hunger, Kälte und Ruhr gestorben seien. "Ich habe Patienten mit Schlaganfällen", erklärte Dr. Fisch und bat um eine Venenpunktionsnadel.

Dr. Laue und seine Frau Maria beschlossen, den Lagerinsassen mit allen notwendigen Mitteln zu helfen, um ihre Leiden zu lindern. Sie sammelten Kleider, Lebensmittel, Medikamente und Säuglings- und Kinderwäsche. Dr. Laue ersuchte Dr. Fisch, durch den er die Hilfsmittel ins Lager schickte, ihm jede Woche über die Situation im Getreidespeicher Bericht zu erstatten.

Als Dr. Fisch vom Lagerkommandanten Ausgehverbot bekam, eilte Dr. Laue ins Lager, besuchte den Krankenbau der Juden, verteilte Essen, Medikament, Desinfektionsmittel und Instrumente, untersuchte die Kranken und sorgte für ihre Heilung. Später besuchte er öfters an Abenden das Lager. Er fand unter den Insassen viele ausgehungerte und abgemagerte Wissenschaftler, Opernsänger, Angehörige aller akademischen Berufe, Leute des politischen und wirtschaftlichen Lebens. Er warnte den Lagerkommandanten der SA, Schall, vor einer Ausbreitung der Ruhrepedemie, falls die Bedingungen im Lager nicht sofort verbessert würden.

Im Spätherbst 1944 traf ein Befehl ein: beim Herannahen der Fronten sollen die Lagerinsassen ins KZ zur Vernichtung überstellt werden. Am 23. März 1945 wurde Gmünd stark bombardiert und 170 Bewohner getötet und verwundet. Dr. Laue, aktiver Sozialdemokrat und Mitglied der Widerstandsbewegung gegen die Nazis, betreute unter Lebensgefahr die Verwundeten.

Der Termin für den Abtransport der Juden aus dem Lager wurde für Ende März bestimmt. Dr. Laue eilte ins Lager und beschloss, drei jüdische Familien - Dr. Fisch mit drei Kindern im Alter von fünf, vier und einem Jahr, die jugoslawische Krankenpflegerin Piroska Blau und einen Rechtsanwalt aus Ödenburg, Dr. Georg Uhely, zu retten. Er arbeitete mit ihnen einen Fluchtplan aus. In der Nacht flohen sie durch eine kleine Hintertür des Getreidespeichers. Dr. Laue brachte die Flüchtlinge zuerst beim Oberförster Christ unter und versteckte sie bis zum Kriegsende in seinem Haus, obwohl er sich dessen bewusst war, dass für eine solche Tat die Todesstrafe angedroht war.

Als ihm in jenen Tagen ein Freund der Widerstandsbewegung sagte, daß der Krieg fdr die Deutschen verloren sei, dass die Rote Armee bald in Gmünd einrücken werde und daß er sich mit der Rettung der. drei jüdischen Familien ein gutes "Alibi" schaffen würde, erwiderte Dr. Laue: "Für mich ist diese Tat kein Alibi sondern eine Selbstverständlichkeit... ".

Am 16. Dezember 1986 wurde vom Yad Vashem an Hofrat Dr.med.Arthur Laue und seine Frau Maria in feierlicher Zeremonie in Wien die Ehrenmedaille der "Gerechten der Völker" verliehen. Am 16. Juli 1987 pflanzte Dr. Laue in der Allee der Gerechten in Jerusalem einen Baum. Er starb am 20. Mai 1995 in Gmünd.


Die Gerechten Österreichs
Eine Dokumentation der Menschlichkeit
von Mosche Meisels


Umschlaggestaltung von Arje Weiss (einer der Geretteten)
Herausgegeben von der Österreichischen Botschaft in Tel Aviv
1996, S. 48-49.