Untergrundbewegung


Johann Pscheidt - 1963


Am 25. Februar 1963 beschloss Yad Vashem die Medaille der "Gerechten der Völker" an Johann Pscheidt zu verleihen und einen Baum auf seinem Namen in der Allee der Gerechten zu pflanzen.

Der Salzburger Bauunternehmer Johann Pscheidt kam 1941 als Treuhänder für jüdische Betriebe nach Zaglembia (Sosnowitz, Bendin und Zabierce) in Polen. Unmittelbar nach seiner Ankunft suchte er Mittel und Wege, um Juden vor Verschickung ins Zwangsarbeitslager zu retten. Er nahm Verbindung mit jüdischen Kreisen auf, um Juden in seinen Betrieben einzustellen und ihre Deportation zu verhindern.

Unter anderem wurde Pscheidt die Treuhandleitung einer Seifenfabrik in Bendin angetragen, die dem Vater eines Mitglieds der jüdischen Untergrundbewegung in Zaglembia namens Lustiger (einem Verwandten des Kardinals Lustiger von Paris) gehörte. Dadurch kam er mit den Führern der Untergrundbewegung Jusek Kozuch (der später in einer Aktion gegen die Deutschen gefallen ist) und Karl Tuchschneider in Verbindung.

Anfang 1943 wurden sämtliche Juden Zaglembias in einem Ghetto konzentriert. Die Führer der Untergrundbewegung ersuchten Pscheidt, einen Betrieb in unmittelbarer Nähe des Ghettos zu errichten, der dazu dienen sollte, Widerstands- und Rettungsaktionen zu verschleiern. Pscheidt gab mit Öffnung der Schuhcremefabrik "Rekord" dem Ansuchen nach Seine Verbindungen mit der Untergrundbewegung wurden immer stärker. In der Fabrik wurde ein Bunker gebaut. Das Privatbüro von Pscheidt diente der Untergrundbewegung als Werkstätte zur Fälschung von Dokumenten und Stempeln. Einige Mitglieder der Untergrundbewegung waren mit gefälschten Papieren bei Pscheidt angestellt. Der Dachboden seiner Fabrik diente als . Zufluchts- und Durchgangsplatz für Flüchtlinge aus dem Ghetto. Die Fabrik befand sich in der Rybnostraße 7 in Sosnowitz.

Mitglieder der Untergrundbewegung schilderten Pscheidt, der Junggeselle war, als human und Gegner des Naziregimes, der immer bereit war, sein Leben für die Rettung von Juden zu gefährden.

Als das Ghetto Sosnowitz am 1. August 1943 liquidiert wurde, blieben hunderte Jugendliche im Lager, um das zurückgebliebene jüdische Vermögen zu sortieren. Die Untergrundbewegung organisierte eine Massenflucht in die Fabrik Pscheidts, wo Flüchtlinge tage- und wochenlang versteckt blieben, bis sie in die Berge oder in die Slowakei fliehen konnten. Jeden Tag trafen neue Flüchtlinge aus dem Ghetto ein. Pscheidt sorgte für Nahrung, Kleidung und Geld und ließ seine Kontakte spielen, um ihre Flucht erleichtern zu können. Während dieser Aktion wartete er persönlich in der Tür seines Betriebes auf Flüchtlinge und brachte sie in Verstecken unter.

Pscheidt stattete sie mit gefälschten arischen Papieren aus und beschaffte für viele von ihnen Anweisungen vom Arbeitsbeschaffungsamt in Tarnow an das Arbeitsbeschaffungsamt in Wien, den Flüchtlingen als polnische Fremdarbeiter Arbeit zuzuteilen. Auf diese Weise rettete er im Laufe von vier Monaten circa 80 Menschen das Leben.

Pscheidt gab den Flüchtlingen die Adresse seiner Schwester Maria im 9. Bezirk in Wien, deren Mann Offizier in der Wehrmacht war. Ihr Haus diente ihnen, als sie in Wien eine Zeitlang im Untergrund lebten, als Obdach in schweren Tagen, als sie, ohne Ausweis, Nahrung und Kleidung ständiger Gefahr ausgesetzt waren, verhaftet und deportiert zu werden. Pscheidt besuchte oft seine Schwester in Wien, hielt Kontakt mit den Flüchtlingen aufrecht und stand ihnen mit Rat und Tat bei, indem er sie mit Nahrungsmittel, Geld und Kleidung versorgte. Dabei forderte er nie von ihnen einen Versprechen auf Entschädigung nach dem Krieg.

Als einer der Mitglieder der Untergrundbewegung im Ghetto, Manus Diamant nach dem Krieg von der jüdischen Selbstwehrorganisation Haganah beauftragt wurde, nach dem verschwundenen Kriegsverbrecher Adolf Eichmann zu fahnden, schleuste dieser die Nichte Pscheidts, Gertrud, in das Haus der Gattin Eichmanns, Vera, in Alt-Aussee als Dienstmädchen ein, um auf diesem Weg den Aufenthaltsort Eichmanns ausfindig zu machen.

Als Diamant 1946 Salzburg besuchte, traf er Pscheidt vor dem DP- Lager in Riedenburg auf und ab gehend. Als er ihn nach einer freudigen Begrüßung fragte, was er dort tue, erwiderte Pscheidt mit Tränen in den Augen: "Jeden Abend gehe ich hier nach der Arbeit spazieren, um den Neubeginn des jüdischen Lebens nach dem Holocaust und die jüdischen Babies in den Kinderwägen zu sehen. Das ist das Einzige was mir, nach alledem, was ich in jener schrecklichen Zeit gesehen und erlebt habe, noch Freude und Glück bringt: eine neue jüdische Generation entsteht vor meinen Augen...."

Pscheidt führte nach dem Krieg eine bescheidene Existenz in Salzburg, interessierte sich fdr das Schicksal derjenigen, die in seinen Werkstätten in Zaglembia gearbeitet hatten und die er vor der Vernichtung retten konnte. Mit vielen von ihnen stand er fortwährend im Briefwechsel in Verbindung, lehnte jedoch die Annahme jeglicher Hilfe ab, die ihm angeboten wurde.

Die Gerechten Österreichs
Eine Dokumentation der Menschlichkeit
von Mosche Meisels


Umschlaggestaltung von Arje Weiss (einer der Geretteten)
Herausgegeben von der Österreichischen Botschaft in Tel Aviv
1996, S. 70-72.