Betäubte Kinder in Säcke gesteckt
Oswald Bosko - 1964 (posthum) Julius Madritsch - 1964 Raimund Titsch - 1964 Einige Tage vor der Liquidierung des Ghettos von Krakau am 13. März 1943 beschlossen die Nazis, alle jüdischen Kinder aus dem Ghetto zu deportieren, um sie zu vernichten. Der Kellner Oswald Bosko aus Wien war als Feldwebel der deutschen Polizei im Ghetto von Krakau eingesetzt. Oswald hatte sich mit dem Inhaber der Nähwerkstätte in der Nähe des Ghettos, Julius Madritsch, angefreundet und half ihm bei der Rettung jüdischer Ghettobewohner. Madritsch beschloss, die Kinder in seine Näherei zu retten. Mit Oswalds Hilfe gelang es ihm, hunderte Kinder aus dem mit Stacheldraht umzäunten und von SS-Leuten umgebenen Ghetto zu evakuieren. Er brachte sie in das Nähwerk von Podgorze. Damit die Kinder nicht weinten und entdeckt würden, betäubte Madritsch sie. Schlafend wurden sie im Ghetto in Säcke gesteckt. Oswald fand bereite Polen, die Kinder zeitweilig in ihren Häusern in Krakau auf- zunehmen. Deutsche Soldaten brachten die Kinder nach Tarnow in Sicherheit. Der Wiener Textilkaufmann Julius Madritsch wurde Anfang März 1940 zur Wehrmacht einberufen und kam Ende 1940 als Fachmann zur Textilhandelsgesellschaft in Krakau. Mitte Dezember 1940 wurde Madritsch von der Abteilung Wirtschaft zum
Treuhandverwalter zweier jüdischer Konfektionsbetriebe in Krakau
bestellt. In beiden Firmen, den sogenannten Nähereien Madritsch,
waren Juden aus dem Ghetto Krakau und Polen als Angestellte tätig.
Zwischen Madritsch und seinen jüdischen Angestellten aus Österreich
entwickelte sich eine streng getarnte gute Zusammenarbeit. Raimund Titsch,
1897 in Wien geboren, arbeitete Titsch zeigte besondere Anteilnahme an den jüdischen Arbeitern. Da diese nur in anerkannten Rüstungsbetrieben arbeiten durften, sorgten Madritsch und Titsch dafür, eine große Anzahl von Nähmaschinen herbeizuschaffen, um als Rüstungsbetrieb qualifiziert zu werden und jüdische Ghettobewohner einstellen zu können. Titsch errichtete eine große Küche im Nähwerk, in der warme Speisen für die Arbeiter zubereitet wurden. Madritsch gelang es, seine beiden Betriebe als kriegswichtig erklären zu lassen und damit etwa 4000 jüdische Arbeiter aus dem Ghetto und anderen Teilen Polens zu beschäftigen. Er bemühte sich um größere Lohnaufträge, um beide Firmen in Schwung zu bringen. Er nahm Kontakt mit der jüdischen Untergrundbewegung im Ghetto auf, um möglichst viele jüdische Fachkräfte zugewiesen zu bekommen. Die Näherei Madritsch befand sich außerhalb des Ghettos in einem großen Gebäude auf dem Podgorski Platz. Madritsch ermöglichte, in der Fabrik jüdische Ghettoinsassen mit christlichen polnischen Bekannten aus Krakau zusammen zu bringen. Die halfen ihnen, Nahrungsmittel, Zeitungen, Zigaretten und Nachrichten zu bekommen. Als sich die Lage im Ghetto verschlechterte und Gefahr drohte, dass sämtliche Insassen deportiert würden, drängte die jüdische Untergrundbewegung Madritsch, zwei weitere Betriebe in Bochnia und Tarnow zu öffnen. Hier beschäftigte Madritsch 1000 - 1500 Arbeiter aus dem Ghetto und rettete damit ihr Leben bis zur Schließung des Ghettos. Als das Ghetto am 13. März 1943 geschlossen wurde und seine Bewohner ins Lager Plaszow kamen, konnten Madritsch und Titsch eine Nähwerkstätte in fünf Baracken des Lagers errichten. Dort beschäftigten sie viele Juden und bewahrten sie vor der Deportation. Außer dem Nähwerk von Madrtisch gab es im Lager Plaszow noch eine Nähwerkstätte, in der etwa tausend Arbeiter beschäftigt waren. Die hatten jedoch oft nicht genügend Arbeit, weil es an Bestellungen wie an Rohstoffen mangelte. Madritsch und Titsch sorgten für Bestellungen, so dass auch diese Juden Beschäftigung hatten und ihnen nicht die Gefahr drohte, als "Untaugliche" zur Vernichtung geschickt zu werden. Die Lagerinsassen litten an Hunger. Sie wandten sich an Madritsch und Titsch um Hilfe. Die bestachen den SS-Lagerkommandanten Amon Göth und konnten so jeden Arbeiter mit Brot versorgen. Titsch informierte regelmäßig die Untergrundbewegung im Lager über Nachrichten aus dem englischen Radio. Das bedeutete Lebensgefahr. Die Nachrichten gingen im Lager von Ohr zu Ohr. Sie munterten alle auf und gaben den von der Außenwelt abgeschlossenen Häftlingen Mut und Hoffnung. Titsch sammelte Fotografien von den Geschehnissen im Lager Plaszow. Nach dem Krieg gab er sie an die Überlebenden weiter. Sie zeigten, wie der Kommandant Göth seinen Hund auf Gefangene hetzte, die harte Arbeit der Gefangenen, die Brotverteilung durch Madritsch. Titsch versuchte mehrfach, Häftlinge vor der Misshandlung durch den Kommandanten Göth zu schützen. Nach der Liquidierung des Ghettos blieben hunderte jüdische Familien in Kellern und Bunkern versteckt. Oswald Bosko suchte nach jenen Familien. Madritsch gab seine Zustimmung zu ihrer Überführung in die Keller seiner Näherei. Die Juden wurden in der Nacht durch Lücken im Stacheldrahtzaun und an Posten der SS vorbei zum Nähwerk von Madritsch gebracht. Später organisierte Bosko eine große Rettungsaktion. Sie dauerte mehrere Tage. Viele Ghettobewohner mussten ihr Vermögen vor dem Einzug in das Ghetto bei polnischen Bekannten in Krakau zurücklassen. Titsch stellte Kontakte mit diesen Polen her und brachte Pakete mit Nahrungsmittel, Kleidung und Geld ins Ghetto. Titsch begleitete eine Gruppe von 230 jüdischen Arbeitern von Krakau nach Tarnow und Bochnia, wo Madritsch ein zweites Nähwerk besaß. Manche konnten später nach Ungarn und in die Slowakei fliehen. Madritsch erlangte durch Bestechung deutscher Dienststellen die Erlaubnis, seinen Arbeitern Leistungsprämien in Form von Lebensmitteln zu geben. Mit diesen fuhr er jede Woche ins Lager und brachte 6000 Laib Brot, Marmelade und Zigaretten für die Bedürftigen. In einigen Fällen ließ er Lagerinsassen, die mit ihm arbeiteten und vom Lagerkommando gesucht wurden, in seiner Näherei untertauchen und flüchten. Am 1. September 1943 wurde die Außenarbeit der Lagerinsassen unterbrochen und das Lager hermetisch geschlossen. Am selben Tag wurden noch auf Initiative von Madritsch hunderte Arbeiter nach Tarnow überführt. Madritsch gelang es Dank seiner persönlichen Kontakte mit dem Lagerkommandanten Göth und mit Bestechung, als einziger Privatunternehmer eine Bewilligung zu bekommen, in fünf Baracken des Lagers Werkstätten zu errichten, in denen er hunderte jüdische Arbeiter beschäftigte und sie mit Lebensmitteln und Medikamenten versorgte. Als die Hungersnot im Lager Überhand nahm, finanzierte Madritsch eine Lebensmittelversorgung aus dem Verkauf von Stoffresten, die beim Zuschneiden eingespart wurden. 1944 näherte sich die sowjetische Armee vom Osten her nach Westgalizien. Der Befehl wurde erteilt, das Lager von Plaszow aufzulösen. Am 6. August 1944 begann die Räumung von 10.000 Insassen des Lagers. Ein Drittel von ihnen, darunter Tausend Arbeiter der Betriebe von Madritsch, wurde in Lager wie Auschwitz, Stutthof, Mauthausen und Gusen deportiert. Die meisten gingen zugrunde. Als die Gestapo Boskos Rettungsaktionen entdeckte, versuchte er zu fliehen. Bosko wurde verhaftet, als Verräter angeklagt, zum Tode verurteilt und am 18. September 1944 erschossen. Madritsch gelang es, 500 Arbeiter seiner Betriebe unter dem Vorwand von Aufräumungsarbeiten bis zum 5. Oktober im Lager halten. Als auch diese nach Groß-Rosen geschickt wurden, bemühte sich Madritsch darum, dass 100 von ihnen in die Liste Oskar Schindlers aufgenommen und in seine Fabrik in Brünitz überführt würden. Sie wurden gerettet. Am 3. November 1944 wurde Madritsch von dem SD in Krakau verhaftet und
nach Berlin gebracht. Er wurde beschuldigt, Greuelmärchen über
die Zustände im KZ-Lager Plaszow verbreitet zu haben. Mit Hilfe seiner
Verbindungen gelang es ihm, nach 12 Tagen aus der Einzelhaft entlassen
zu werden. Nach seiner Rückkehr nach Österreich nahm er Verbindungen
mit seinen ehemaligen Schützlingen auf, denen er das Leben gerettet
hatte. In Israel wurde sogar ein "Klub der Madritscher" gebildet. Die Gerechten
Österreichs Umschlaggestaltung
von Arje Weiss (einer der Geretteten)
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