Joachim von Zedtwitz - 1994
Freiherr Dr. Joachim von Zedtwitz wurde am 11. Juni 1910 in Wien geboren. Er
stanunte aus einer adeligen Familie und sah im Nationalsozialismus Widerspruch
zu seiner humanitären Einstellung. Als die Deutschen in Österreich
einmarschierten, zog er erst ins Sudetenland und später nach Prag, wo er
Medizin studierte.
Im Frühling 1938 lernte er in Prag Kafkas berühmte Freundin ("Briefe an Milena") Milena Jesenska kennen, die nach der Besetzung der Tschechoslowakei Fluchtwege für bedrohte Antifaschisten und Juden organisierte. Milena wohnte in der Kourinskastraße 6. In ihrer Wohnung fanden viele verfolgte Juden Unterschlupf und wurden auf die Flucht über die Grenze nach Polen vorbereitet.
Zedtwitz freundete sich mit Milena an und beschloss, bei ihrer humanitären Arbeit zu helfen. Er holte in seinem Auto die Flüchtlinge ab und brachte sie über Mährisch-Ostrau in die Nähe der Grenze. Hier wurden sie in der Nähe der Grenze gegen Bezahlung ortskundigen Fluchthelfern übergeben, die sie nach Polen brachten. Die Engländer unterhielten in der polnischen Stadt Kattowitz ein Auffanglager, von wo die Flüchtlinge nach England weiterreisen konnten.
Unter jenen von Zedtwitz über die Grenze Geschmuggelten, befanden sich Rudolf Keller (Chefredakteur des "Prager Tagblatts"), Julius Hollos (Redakteur des "Prager Mittags"), Karel Tschuppik (Schriftsteller und Besitzer des "Prager Montags"), Elfriede Menne (Gattin eines Schriftstellers, der ein Buch gegen Krupp geschrieben hat), der Sohn des Ministers Derer und seine Verlobte, zwei junge Flieger, Dr. Behrend aus Danzig, die Brüder Rabl, die Nichte des Bankiers Petschek mit ihrem kleinen Kind, Rudolf Steiner, Markievicz, W. Spencer-Kraus, Maria Krtilova, Evzen Klinger (Schriftsteller), Bonka Krieger, Franzi Rippl (Gattin eines tschechischen Buchverlegers) und Fritz Beer (später Präsident der PEN - Zentrale deutschsprachiger Autoren im Ausland).
Milena trag auf ihrer Kleidung demonstrativ den Judenstern, um ihre Solidarität mit den verfolgten Juden zu manifestieren. Im November 1939 sollte von Zedtwitz Milena im Hause der Familie Meier treffen, Milena erschien jedoch nicht. Er erfuhr, dass sie verhaftet worden war. Von Zedtwitz wurde am 27. März 1940 in Bromberg verhaftet. Er simulierte eine Geisteskrankheit, wurde nach 15 Monaten ohne Prozess freigelassen und kehrte nach Prag zurück.
Nach dem Kommunistenputsch verließ er im Sommer 1948 die CSSR und ging
als staatenloser Flüchtling in die Schweiz
Die Gerechten Österreichs
Eine Dokumentation der Menschlichkeit
von Mosche Meisels
Umschlaggestaltung von Arje Weiss (einer der Geretteten)
Herausgegeben von der Österreichischen Botschaft in Tel Aviv
1996, S. 100-101.