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orf.at
- 20. Juni 2006
Ungarische und österreichische Bischöfe tagten gemeinsam in Mariazell Ungarische und österreichische Bischöfe tagten gemeinsam
in Mariazell In einer gemeinsamen
Pressekonferenz unterstrichen der Vorsitzende der ungarischen Bischofskonferenz,
Kardinal Peter Erdö, und sein österreichischer Amtskollege,
Kardinal Christoph Schönborn, am Dienstag die Bedeutung der gemeinsamen
Beratungen. Wie Erdö sagte, sei dies die erste gemeinsame Tagung
ungarischer und österreichischer Bischöfe seit 150 Jahren
gewesen. Themen, die zur Sprache kamen, waren unter anderem die europäische
Integration, die europäische Verfassung, der umfassende Lebensschutz,
Familienfragen, aber auch die Ungarn-Seelsorge in Österreich sowie
im speziellen die Betreuung der ungarischen Pilger in Mariazell. Kardinal Erdö
betonte, dass der Austausch zwischen den Bischöfen der Nachbarländer
besonders für die ungarische Kirche sehr wichtig sei, um ihren
Auftrag und Dienst an der Gesellschaft gerecht zu werden. Eine der großen
Herausforderungen für die Kirche liege derzeit im katholischen
Schulwesen. Nach der "Wende" habe die Kirche in Ungarn vom
Staat Hunderte Schulen zurück bekommen, die man nun selbst führen
will und muss. Das sei eine große Aufgabe und Herausforderung,
so Erdö, wo man sich gerne auch beim Nachbarn nach dessen Erfahrungen
erkundige. Die katholische Kirche in Ungarn wolle aber auch von Erfahrungen
in Österreich im Hinblick auf eine neue missionarische Einstellung
lernen. Erdö erwähnte in diesem Zusammenhang vor allem die
große Wiener Stadtmission; 2007 werde es eine solche Stadtmission
auch in Budapest geben. Im Hinblick auf
die europäische Verfassung sagte Kardinal Schönborn, die Bischöfe
aus Ungarn und Österreich seien sich darüber einig, dass sie
sehr viel Positives enthalte - etwa zur sozialen Dimension Europas.
Positiv sei auch, dass der institutionelle Dialog zwischen Kirchen und
Religionsgemeinschaften auf der einen und den EU-Institutionen auf der
anderen Seite festgeschrieben wurde. Verwundert seien die Bischöfe
aber darüber, dass es nicht möglich sei, einen Gottesbezug
und den Bezug auf die christlichen Wurzeln des Kontinents in die Präambel
aufzunehmen, obwohl sich 80 Prozent der Europäer zum Christentum
bekennen. Kardinal Erdö
meinte zur kommenden EU-Erweiterung, dass Ungarn den Beitrittskandidaten
sehr offen gegenüber stehe. Das betreffe nicht nur Rumänien,
Bulgarien und Kroatien, sondern auch die Türkei. Besonderes Interesse
habe man aber natürlich an einem Beitritt Rumäniens, wo rund
zwei Millionen Ungarn leben. Nicht direkt angesprochen
wurde bei der Bischofskonferenz das Problem des Priestermangels. Schönborn
zeigte sich in der Pressekonferenz jedoch überzeugt, dass es auch
in Österreich bald wieder mehr geistliche Berufungen geben könnte.
Es gebe Anzeichen für einen positiven Klimawandel für geistliche
Berufungen in Kirche und Gesellschaft. Im Herbst seien etwa in Wien
20 Kandidaten ins Priesterseminar eingetreten, erklärte Schönborn. Wörtlich meinte
der Wiener Erzbischof, das Problem sei nicht der Mangel an Priestern
oder Ordensleuten, "sondern ein gesellschaftliches Klima, das Berufungen
begünstigt oder nicht." Solange es eine familiäre "Katastrophenmeldung"
sei, wenn eine Tochter beschließt, in einen Orden einzutreten
oder ein Sohn Priester werden will, solange sei es für junge Menschen
sicher schwer, ihren Weg auch konsequent zu verfolgen. Er orte aber,
so Schönborn, in der Gesellschaft bereits ein gewisses Umdenken.
Trotz aller Anfechtungen und Probleme sei der Priesterberuf auch heute
attraktiv, betonte Kardinal Schönborn: "Die Berufungen sind
da. Gott ruft Menschen in seinen Dienst". Der Kardinal wies
auf eine Studie des Innsbrucker Politologen Andreas Maislinger hin,
der Pfarren im deutschen Sprachraum ausfindig gemacht hat, aus denen
besonders viele Berufungen hervorgehen. Maislinger habe von "Mistbeeten"
im positiven Sinn und einem guten Humus gesprochen, so der Kardinal.
Es wäre lohnenswert, dem Geheimnis bzw. Humus dieser Pfarren auf
die Spur zu kommen. Ähnlich wie
in Österreich verhalte es sich auch in Ungarn mit den geistlichen
Berufungen, berichtete Kardinal Peter Erdö. Bis vor zehn Jahren
seien die meisten Berufungen noch in ländlichen Gebieten erfolgt,
wo es auch noch größere Familien gebe. Inzwischen habe sich
die Situation aber grundlegend verändert. Die meisten Neupriester
würden städtischen, meist intellektuellen Familien, entstammen.
Der Großteil der Berufenen sei beim Eintritt ins Priesterseminar
auch bereits an die 30 Jahre alt, hätte ein abgeschlossenes Studium
und Berufserfahrung. Unter den österreichischen
Bischöfen ist laut Schönborn auch der Papstbesuch im kommenden
Jahr in Mariazell Thema gewesen. Es gebe diesbezüglich noch nichts
Neues - man hoffe aber auf eine Bestätigung aus Rom in den nächsten
Monaten. Kardinal Erdö berichtete bei der Pressekonferenz von zwei aktuellen Projekten, die die ungarische Kirche derzeit durchführt. Zum einen habe man eine eigene Stiftung gegründet, die sich mit der Kirchengeschichte der Nachkriegszeit auseinander setzt um diese aufzuarbeiten, zum anderen haben die Bischöfe 2006 zum Gebetsjahr für die geistige Erneuerung Ungarns erklärt. Einer der Höhepunkte dieses Jahres ist ein gemeinsamer "Versöhnungsgottesdienst" mit den Bischöfen der Slowakei am 29. Juni in Esztergom. Dabei wollen die Bischöfe gegenseitig "Versöhnungsbriefe" austauschen.
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